Weltwasserwoche 2012
Seminar: „No Food and Nutrition Security without Water, Sanitation and Hygiene (WASH)“
Thilo Panzerbieter | >>Introduction
Oliver Cumming | >>WASH and Undernutrition
Robert Chambers | >>WASH and Nutrition
Almud Weitz und Juan Costain | >>Conditional Cash Transfer Programs
Robert Chambers | >>Community-Led Total Sanitation
Linus Dagerskog und Moussa Bonzi | >>Productive Sanitation
Oliver Cumming | >>WASH and Undernutrition
Robert Chambers | >>WASH and Nutrition
Almud Weitz und Juan Costain | >>Conditional Cash Transfer Programs
Kamal Kar | Community-Led Total Sanitation
Linus Dagerskog und Moussa Bonzi | >>Productive Sanitation
Zur Weltwasserwoche in Stockholm trifft sich jedes Jahr die Fachwelt, um gemeinsam über globale Wasser- und Sanitärthemen zu beraten. Im Fokus der Konferenz stand in diesem Jahr der Zusammenhang zwischen “Wasser und Ernährungssicherheit”. Das WASH-Netzwerk hat in diesem Rahmen zusammen mit dem Water and Sanitation Programme der Weltbank (WSP) ein Seminar mit dem Titel “No Food and Nutrition Security without Water, Sanitation and Hygiene (WASH)” durchgeführt.
Die negativen Auswirkungen auf Ernährungs- und Nahrungssicherheit, die durch unzureichende Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene hervorgerufen werden, wurden im internationalen Diskurs bisher eher vernachlässigt. Wir haben uns die Frage gestellt, ob Regierungen und Organisationen einen effektiven Beitrag zur Bekämpfung von Mangelernährung durch Investitionen im WASH-Bereich leisten können?
WASH steht nämlich in engem Zusammenhang mit allen vier Dimensionen Ernährungssicherheit: (1) Verfügbarkeit von Nahrung, (2) Zugang zu Nahrung, (3) Nutzung und Verwertung von Nahrung und (4) der Stabilität dieser drei Dimensionen über die Zeit. Wir haben den Fokus auf die Nutzung und Verwertung von Nahrung im menschlichen Körper gelegt, den dort besteht ein enger Zusammenhang zu WASH.
Die neuesten Erkenntnisse und Trend aus der Forschung präsentierte Oliver Cumming von der London School of Hygiene and Tropical Medicine [pdf]: Derzeit sind etwa 30% aller Kinder in Entwicklungsländern chronisch unterernährt (UNICEF 2008) und jährlich sterben etwa 2,2 Millionen Kinder unter 5 Jahren an Unterernährung (Black et al. 2008). Aktuelle Studien legen nahe, dass die unzureichende Versorgung mit WASH eine wichtige Rolle bei der Unterernährung und Unterentwicklung von Kindern spielt. Die drei wichtigsten Gründe sind:
- Wiederholte Durchfallerkrankungen führen zu verringerter Absorption von Nährstoffen, da Teile der Nahrung ungenutzt wieder ausgeschieden werden (Leaky Bucket Syndrome).
- Parasitäre Wurmerkrankungen wie Spulwurm- (Ascaris) und Hakenwurminfektionen, von denen weltweit etwa 2-3 Milliarden Menschen betroffen sind, entziehen dem menschlichen Wirt einen Teil der aufgenommenen Nahrung und machen diese für den Menschen unnutzbar.
- Durch unhygienische Lebenumstände in großen Mengen aufgenommene Fäkalkeime führen zu dauerhaften Schädigungen des Darms. Hierdurch verkleinert sich die Darmoberfläche und führt dauerhaft zu verringerter Absorption von Nährstoffen und damit zu Unterernährung, Unterentwicklung und Kleinwüchsigkeit. Dieses Phänomen ist in der Fachwelt als Environmental Enteropathy bekannt (siehe auch Humphrey 2009 [nach kostenloser Registrierung hier erhältlich].
Eine Evaluierung von Ernährungsprogrammen in Afrika ergab, dass selbst die erfolgreichsten Programme lediglich eine Verbesserung der Situation um 33% bewirken konnten. Es ist davon auszugehen, dass Umweltaspekte wie der Zugang zu WASH hier einen weitaus größeren Einfluss haben als bislang angenommen. Zurzeit laufen drei größer angelegte mehrjährige Forschungsprojekte in Indien, Bangladesh und Simbabwe, die diesen WASH-Nutrition Zusammenhang tiefergehender untersuchen sollen.
Robert Chambers vom Institute of Development Studies (IDS) in Großbritannien ist sogar der Meinung, dass typische symptomatische Durchfallerkrankungen lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen [pdf]. Tendenziell eher asymptomatische, durch Fäkalkeime verursachte Krankheiten wie Wurminfektionen und Environmental Enteropathy könnten wesentlich größere Auswirkungen auf den Ernährungszustand insb. von Kindern haben als bisher angenommen. Er kritisierte zudem, dass dringend notwendige Forschung in diesem Bereich oft nicht erfolgt, da die Thematik nur geringe berufliche Karriereoptionen offeriert.
Ansätze aus der Praxis
Im Anschluss wurden vielversprechende WASH Upscaling-Ansätze anhand von regionalen Fallstudien präsentiert. Almud Weitz und Juan Costain vom Water and Sanitation Program der Weltbank (WSP), versuchen aktuell in Indonesien und Peru Sanitärversorgung mit Conditional Cash Transfers ([pdf]; an Konditionen gebundene Geldleistungen, CCT) zu verknüpfen. CCTs sind ein zunehmend populäres Mittel, um ärmere Haushalte und Gemeinden zu erreichen. Sie wurden bislang überwiegend im Bereich Gesundheit und Bildung eingesetzt. Im Sanitärbereich betritt man hier allerdings Neuland [pdf]. Robert Chambers (IDS), der kurzfristig als Ersatz für Kamal Kar (CLTS Foundation) eingesprungen ist, berichtete über Community-Led Total Sanitation (gemeindebasierte Ansätze für flächendeckende Sanitärversorgung, CLTS) und die postiven Nebenwirkungen auf die Nahrungsmittelsicherheit bei der Zielgruppe. Die abschließende Präsentation [pdf] von Moussa Bonzi (INERA) und Linus Dagerskog (SEI) zeigte den reichen Erfahrungsschatz der mit wiederverwendungsorientierten Productive Sanitation Ansätzen in Burkina Faso gemacht wurde. Während viele der Vorredner auf die Risiken von Fäkalien hingewiesen haben, wurden in dieser Präsentation die landwirtschaftlichen Möglichkeiten hervorgehoben. Behandelte und aufbereitete Fäkalien können eine wichtige lokale Düngemittelressource darstellen und letztlich sogar zum motivierenden Faktor werden, dass Haushalte Sanitärversorgung anstreben und nachfragen.
In der zweiten Hälfte des Seminars bat Sanjay Wijesekera (UNICEF) die TeilnehmerInnen in rotierenden Diskussionsgruppen zu diskutieren, warum dieser wichtige Zusammenhang bis jetzt so vernachlässigt wurde und wie man die frischen Erkenntnisse wirksam in der Praxis nutzen kann. Es wurde deutlich, dass ein großer Bedarf an Forschung in diesem Bereich besteht. Zudem ist mehr Kohärenz von politischen Entscheidungen und eine bessere Kooperation zwischen dem Nahrungs-, Gesundheits- und WASH Sektor notwendig. Um die Botschaften des Seminars besser an EntscheidungsträgerInnen und die Öffentlichkeit kommunizieren zu können, wurde die Notwendigkeit eines gemeinsamen Brandings bzw. eines Slogans artikuliert. Am Ende stand ein vielversprechenden Vorschlag für einen Slogan, der in Zukunft die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken soll:
GROWING TALL WITH TOILETS!
SHIT STUNTS!
Veranstalter des Seminars
WASH Netzwerk
Water and Sanitation Programme / World Bank (WSP)
In Zusammenarbeit mit
UNSGAB (UN Secretary General Advisory Board on Water and Sanitation)
GIZ (German Agency for International Cooperation)
BMZ (Federal Ministry for Economic Cooperation & Development)
SEI (Stockholm Environment Institute)
SIANI (Swedish International Agricultural Network Initiative)
RUAF (Resource Centres on Urban Agriculture and Food Security)
SuSanA (Sustainable Sanitation Alliance, Working Group on Productive Sanitation and Food Security)
Chair des Seminars
Sanjay Wijesekera – Leiter der Abteilung WASH, UNICEF
Eingeladene Gäste und Redner
Thilo Panzerbieter – Geschäftsführer, German Toilet Organisation (GTO) und Sprecher des WASH-Netzwerk
Oliver Cumming – Policy Manager, SHARE Research Consortium an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM)
Robert Chambers – Wissenschaftler, Institute of Development Studies (IDS)
Juan Costain – Teamleiter Südasien, Water and Sanitation Program/Worldbank (WSP)
Almud Weitz – Teamleiter für Ostasien, Water and Sanitation Program/Worldbank (WSP)
Linus Dagerskog – Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Stockholm Environment Institute (SEI)
Moussa Bonzi – Wissenschaftler, National Institute of Environmental and Agricultural Research (INERA)
Arno Rosemarin – Wissenschaftler, Stockholm Environment Institute (SEI)
Rene van Veenhuizen – Program Officer, Resource Centres on Urban Agriculture and Food Security (RUAF Foundation)
Arno Coerver – WASH-Koordinator Asien, Malteser International
Claudia Wendland – Sanitärexperte, Women Engage for a Common Future (WECF)
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